Nach der Reise in den Süden des Landes sind wir weiter nach Bahir Dar am Lake Tana, dem größten See Äthiopiens. Im See liegt die Quelle des blauen Nils, der sich bei Khartum (Sudan) mit dem weißen Nil vereinigt und dann durch den Sudan und Ägypten fließt. Wir haben die Zeit am See sehr genossen, sind mit dem Boot über den See gefahren, haben einheimischen Fischern auf ihren traditionellen Schilfbooten beim Fischfang zugesehen, haben Nilpferde und Vögel beobachtet, sind am Ufer des Sees in der Sonne gesessen und haben die Stille und Weite geschätzt.
Am Lake Tana liegen auch einige orthodoxe Kirchen, die zu den UNESCO Weltkulturerbestätten gehören. Die auf den ersten Blick so unscheinbar wirkenden Kirchen offenbaren im Inneren eine Pracht an teilweise jahrhundertealten, farbenprächtigen Fresken und weiteren Kunstschätzen, die biblische Geschichten lebendig werden lassen.
Ein besonders schöner Tag war der Besuch der zweitgrößten Wasserfälle auf dem afrikanischen Kontinent. Sicher ist der Blue Nile Fall jetzt in der Trockenzeit nicht halb so beeindruckend wie zur Regenzeit, wenn sich der Wasserfall über mehrere hundert Meter Breite hinzieht. Aber die Wanderung dorthin mit den schönen Ausblicken auf die umliegende Landschaft, den Wasserfall selbst und dann die Bootsfahrt über den Nil fanden wir doch sehr schön.
Weiter ging es mit dem Flieger nach Gondar. Eine Stadt, die nicht viel hergibt, wäre da nicht ihre historische Bedeutung für das ganze Land. Gondar war über Jahrhunderte Sitz der äthiopischen Könige und lebt heute noch von der einstmals so glorreichen Vergangenheit. Jeder neue König hat sich sein eigenes Schloss gebaut und trotz dessen, dass der Krieg auch hier seine Spuren hinterlassen hat, kann man sich gut vorstellen, wie monumental und prachtvoll die Gebäude damals waren. Durch den Besuch in Gondar haben wir sehr anschaulich viel über die bewegte Geschichte des Landes erfahren.
Gondar war für uns der Ausgangspunkt zum Simien-Mountain-Nationalpark, wo wir eine 4-täg. Trekkingtour gemacht haben. Es war eine Wohltat, aus den hektischen, lebendigen, lauten und auch dreckigen afrikanischen Städten rauszukommen und in der Natur zu sein. Jede Wanderung in den Simien-Mountains muss von einem lokalen Guide und einem bewaffneten Scout begleitet werden. Zu unserer Trekkinggruppe gehörten außerdem noch ein Koch, Maultiere, die unser Campingequipment und unsere Lebensmittel getragen haben, und natürlich deren Besitzer. Diese sind aber eine andere Route gelaufen als wir – wir haben sie immer nur am Morgen und am Abend gesehen.
Für uns war die Trekkingtour mit das Highlight der gesamten Reise durch Äthiopien. Die Tour ist, bis auf ein paar wirklich sehr steile, geröllige Abstiege entlang einer ca. 1000 m hohen senkrechten Abbruchkante (für Thomas eine Herausforderung, da er nicht ganz schwindelfrei ist), technisch nicht schwer – es ist vielmehr die Höhe (bis 4100 m ü NN) die einen hin und wieder etwas atemlos macht. Aber tatsächlich den Atem geraubt haben uns immer wieder die Ausblicke auf diese grandiose Landschaft. Kein Bild kann diese unglaubliche Landschaft wiedergeben – man muss es gesehen haben. Und es war nicht nur die Szenerie, die uns sprachlos gemacht hat, es waren auch die Momente, in denen wir mitten in einer riesigen Horde der hier endemischen Geladas oder Blutbrustpavianen saßen und sie aus allernächster Nähe beobachten konnten. Das war Glück pur.
Ein ganz besonderer Moment für uns war, als wir am zweiten Abend vom Camp (3600m ü NN) nochmal auf knapp 3900 m Höhe aufgestiegen sind um dort einen 360° Panoramablick und die untergehende Sonne zu bestaunen. Als plötzlich eine Gruppe von ca. 500! Geladas über die Klippen geklettert kam, war dies wirklich unbeschreiblich schön.
Und wir hatten Glück. Zweimal konnten wir einen der akut vom Aussterben bedrohten äthiopischen Wölfe sichten, von denen es nur noch 300 gibt. Die Chancen, diese Art zu erhalten sind aufgrund der mangelnden genetischen Diversität sehr gering.
Wer immer nach Äthiopien geht – die Simien-Mountains sind ein Muss. Und wer die mehrtägige Trekkingtour macht, muss damit leben, dass die Camps völlig runtergekommene, verdreckte Plätze inmitten wunderbarer Natur sind. Das war manchmal schwer auszuhalten. Und dennoch – die Wanderung in den Simien-Mountains war wie ein Geschenk.
Und neben all dem bin ich auf den Kaffee-Geschmack gekommen. Immer wieder sitzen wir irgendwo und trinken traditionellen äthiopischen Kaffee – schwarz, klein und stark….und für mich nur mit viel Zucker genießbar. Aber wirklich lecker.